Bluttest zeigt Alzheimer-Verlauf ab dem Frühstadium | Wissen & Umwelt | DW | 23.01.2019

2022-05-20 20:01:43 By : Ms. Serena Du

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Zeigen sich erste Symptome für Alzheimer, ist die Erkrankung schon fortgeschritten. Tests müssen also schon weit vorher ansetzen. Ein neuer Bluttest kann den Krankheitsverlauf für Forscher sichtbar machen.

"Wir können messen, wie der Verlust von Nervenzellen im Gehirn fortschreitet. Das ist ganz wichtig, um Medikamente zu testen und um zu sehen, ob man die Erkrankung aufhalten kann", erklärt Mathias Jucker vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) am Standort Tübingen. Er hat eine internationale Studie über einen Bluttest zu Alzheimer geleitet. 

Bei Alzheimer sterben Hirnzellen nach und nach ab. Dann gelangen sie ins Blut. Dort werden sie aber recht schnell abgebaut und sind nicht mehr nachweisbar. "Eine Ausnahme bildet jedoch ein kleines Stückchen eines sogenannten Neurofilaments, das gegen Abbau erstaunlich resistent ist", sagt Jucker.

Die Wissenschaftler, die an der Studie beteiligt waren, konnten zeigen, dass sich Filamente im Blut anreichern lange bevor die ersten klinischen Symptome auftreten – also bereits in der sogenannten präklinischen Phase. "Wir haben herausgefunden, dass nicht der absolute Wert der Neurofilamente wichtig ist", erläutert Jucker. "Ausschlaggebend ist die Veränderung der Filament-Konzentration im Laufe der Zeit. Gehen die Werte nach oben, ist das ein Zeichen dafür, dass der Verlust der Nervenzellen voranschreitet." 

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Bei Alzheimer sterben die Hirnzellen nach und nach ab

In einem Fall hatten die Forscher anhand der Filamente Vorhersagen über den Verlust von Hirnmasse machen können und über kognitive Beeinträchtigungen. "Zwei Jahre später sind die Veränderungen dann tatsächlich eingetreten", berichtet Jucker. "Bei Alzheimer wird der Verlust an Hirnmasse im Laufe der Zeit immer größer und führt dann letztendlich zu Demenz."

Es stellte sich heraus, dass die Veränderung der Filament-Konzentration und der Abbau von Hirngewebe eng miteinander in Zusammenhang stehen. Die Filamente erwiesen sich als gute Biomarker, also Anzeiger für biologische Prozesse. 

Untersucht haben die Forscher Menschen, die genetische Veränderungen haben und bei denen die Alzheimer-Erkrankung bereits relativ früh auftaucht und nicht erst im fortgeschrittenen Alter.

Etwa ein Prozent aller an Alzheimer Erkrankten gehört zu dieser seltenen Personengruppe. Sie war ideal für die Durchführung der Studie. Bei den Probanden, die nicht genetisch vorbelastet waren, änderte sich die Konzentration der Neurofilamente kaum und blieb weiterhin gering.

Bei den vorbelasteten Personen war die Konzentration an Neurofilamenten erhöht. Im Laufe der Zeit nahm diese Konzentration weiter zu, eine bestimmte Region im Gehirn schrumpfte. Es ist die Region, die für die Gedächtnisfunktionen zuständig ist. 

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Ein Forschungsziel: Alzheimer erkennen, bevor erste Symptome erscheinen

Insgesamt waren 405 Personen an der Studie beteiligt. In regelmäßigen Abständen untersuchten Jucker und seine Kollegen jedes Jahr, ob und wie weit der Wert der Neurofilamente im Blut nach oben ging. Die Daten wurden gesammelt und ausgewertet. Die Forscher stellten fest, dass es bis zu 16 Jahre vor dem errechneten Beginn von Demenzsymptomen zu markanten Veränderungen im Blut kam.

Ausschlaggebend war dabei die zeitliche Entwicklung der Filamentkonzentration. Sie erlaube, so Jucker, Vorhersagen über den weiteren Krankheitsverlauf. Die Veränderungen der Neurofilament-Konzentration spiegelt den neuronalen Abbau sehr genau wider.

Die Forscher konnten so Prognosen abgeben, wie sich das Gehirn in den folgenden Jahren entwickeln würde. "So können wir bei jedem Probanden absehen, ob es noch fünfzehn Jahre dauert, ob es noch zehn Jahre dauert, fünf oder dreißig Jahre bis sich die ersten Symptome zeigen", erläutert Jucker. 

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Wichtiger für die Forschung als für die Alzheimer-Diagnose

Nicht nur bei Alzheimer, auch im Zuge weiterer neurodegenerativer Erkrankungen kommt es im Blut zur Anreicherung von Neurofilamenten. Damit eignet sich der Test nur bedingt zur Diagnose von Alzheimer. "Der Test zeigt aber sehr genau den Krankheitsverlauf an und ist damit ein ausgezeichnetes Werkzeug, um in klinischen Studien neue Alzheimer-Therapien zu erforschen", sagt Jucker.

Der Test erleichtert die Forschungsarbeit an Alzheimer etwa dadurch, dass regelmäßige Gehirnscans oder andere komplizierte, bildgebende Verfahren bei Probanden nicht mehr so oft durchgeführt werden müssen.

Zudem entfallen unangenehme Liquortests entfallen. Dabei entnimmt der Arzt Nervenwasser aus dem Wirbelkanal.

Überhaupt spielen die freiwilligen Studienteilnehmer für die Arbeit der Alzheimerforscher eine enorm wichtige Rolle. "Ohne solche Probanden, ohne solche Familien, die bereit sind mitzumachen, hätte es unsere Forschungsresultate nie gegeben", sagt Jucker. Auch bei allen weiteren Untersuchungen sind die Forscher auf Testpersonen angewiesen. Nur so können sie herausfinden, bei welchen anderen neurodegenerativen Erkrankungen der Bluttest angewendet werden kann. 

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Körperliche Bewegung hält nicht nur die Blutgefäße auf Trab und ist somit nützlich gegen Demenz, sondern es hilft dem Gehirn auch ganz direkt: Das Gehirn muss den Körper schließlich steuern - und richtet sich darauf ein. Die Orientierungsfähigkeit und das Gedächtnis verbessern sich.

Das hält jung und gesund: Musik, Gesellschaft, Bewegung und Körperbeherrschung. Zur Vorbeugung gegen Demenz gibt es wohl nichts Besseres als einen regelmäßigen Tanzabend. Aber auch hier gibt die Medizin keine Garantie für einen lebenslangen Erfolg: Auch Tänzer können irgendwann an Demenz erkranken.

Musiker und Tänzer haben ein geringeres Demenzrisiko, haben Forscher nachweisen können. Musizieren verändert die Hirnstruktur und kann älteren Menschen dabei helfen, geistig, körperlich und sozial fit zu bleiben. Wer in einer Gruppe musiziert, profitiert zusätzlich von sozialen Kontakten.

Jegliche Form geistiger Aktivität hält das Gehirn in Schwung: Es geht dabei aber nicht nur um das reine Rätsellösen und Auswendiglernen. Viel wichtiger sind die sozialen Kontakte. Auch die fordern und fördern das Gedächtnis. Wichtig: Mit anderen im Gespräch bleiben, Dinge unternehmen und organisieren.

Viele Studien weisen darauf hin, dass eine gesunde Ernährung - reich an Gemüse, Salat und pflanzlichen Fetten - sich positiv auf die Blutgefäße auswirkt. Wer ein geringes Risiko hat, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu bekommen, hat auch ein geringeres Demenz-Risiko - das zeigen wissenschaftliche Studien.

Tabak und Alkohol sind Nervengifte. Studien zeigen, dass regelmäßiger Alkoholmissbrauch das Risiko für alle Demenzformen in etwa verdreifacht. Rauchen schädigt die Lungen und fördert die Arteriosklerose. Beides führt dazu, dass weniger Sauerstoff im Gehirn ankommt. Das wiederum beschleunigt den geistigen Abbau im Alter.

Wer seinen Blutdruck unter Kontrolle hält, tut etwas gegen Demenz. Denn sie entsteht oft in Folge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch Diabetes und Übergewicht können eine Demenz begünstigen.

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