Zuchwil - Einst 3000, jetzt noch 150 Mitarbeitende – Itema lebt trotzdem weiter

2022-07-29 18:41:33 By : Ms. Leaf Ye

Die zur gleichnamigen italienischen Maschinenbaugruppe gehörende Webmaschinenherstellerin Itema hat seit 2015 über 13 Millionen Franken in Zuchwil investiert. Das Erbe der einst stolzen Sulzer lebt weiter, wenn auch deutlich abgespeckt.

Auf dem Riverside-Areal in Zuchwil ist das Leben definitiv zurückgekehrt. Nach dem Niedergang der Webmaschinenherstellerin Sulzer sind in den vergangenen Jahren zig Firmen – von Kleinstbetrieben über staatliche Verwaltungsbetriebe bis hin zu Grossunternehmen mit mehreren hundert Arbeitsplätzen – eingezogen. Ebenfalls noch aktiv ist die einstmals stolze Textilmaschinenherstellerin Sulzer, wenn auch abgespeckt und unter neuem Namen. 2001 hat das italienische Textilmaschinenunternehmen Itema das Webmaschinengeschäft des Winterthurer Konzerns Sulzer übernommen.

«Sulzer-Abteilung 9, Webmaschinen»: Unter diesem internen Namen sei das Webmaschinengeschäft im Werk Zuchwil gelaufen, erinnert sich Rolf Siegrist. Der heutige Personalchef von Itema (Schweiz) AG hat die wechselvolle Sulzer-Geschichte hautnah erlebt. Vor 38 Jahren absolvierte er die Mechanikerlehre bei Sulzer, seither war und ist Siegrist, mit Ausnahme eines kurzen Abstechers in eine andere Firma, immer für Sulzer respektive Itema in unterschiedlichsten Funktionen tätig. «Ich habe alles mitgemacht, von den goldenen Boom-Zeiten bis zu mehreren harten Restrukturierungen.» Die Sulzer-Webmaschinensparte habe in den Werken Zuchwil, Rüti und Winterthur rund 5500 Mitarbeitende beschäftigt, zu den besten Zeiten seien es allein am Standort Zuchwil gegen 3000 Angestellte gewesen. In den 70er bis Mitte 80er Jahre seien jährlich bis zu 6000 Webmaschinen gefertigt worden.

Bis heute haben sich die Dimensionen deutlich verschoben. Siegrist: «Jährlich produzieren wir in Zuchwil durchschnittlich noch 100 bis 130 Anlagen pro Jahr.» Entsprechend gesunken ist der Personalbestand, Itema beschäftigt derzeit rund 150 Mitarbeitende in Zuchwil. Geblieben ist aber das Produkt. Wie zuvor werden in Zuchwil ausschliesslich Projektil-Webmaschinen gebaut, mit denen Sulzer einst den Weltmarkt dominierte. In der riesigen Montagehalle werden die in blauer Farbe gehaltenen Webmaschinen je nach Kundenwunsch montiert, komplizierte Steuerungen eingebaut, getestet – am Schluss warten sie fixfertig verpackt auf den Abtransport. Sie wiegen zwischen zwei und sieben Tonnen. Von «einem Nischenmarkt» spricht Reto Kurmann, seit einem Jahr Werkleiter in Zuchwil. Bei diesem Eintragssystem klemmt ein Projektil den Faden ein und «schiesst» ihn auf dem «Webstuhl» an die gegenüberliegende Seite. Sie seien universell einsetzbar und geeignet für die Herstellung von Nischenprodukten, wie etwa Filtergewebe, Grundgewebe für Teppiche oder für hochwertige Textilstoffe. Zudem könne darauf sehr breit gewoben und feine bis grobe Garne verarbeitet werden. «Es gibt Weber, die immer noch behaupten, dass eine Projektil-Webmaschine den besten Jeansstoff produziert», ergänzt Sigrist lachend.

Dank dieser Spezialisierung mit hohem Nutzen für den Kunden und hoher Qualität sei es möglich, Preise zu erzielen, die einen rentablen Betrieb auf dem Werkplatz Schweiz erlaubten, so Siegrist. Mit Anlagen für «gewöhnliche» Stoffwebereien hätte Zuchwil keine Chance. Diesen Bereich decke Itema in ihren Werken in Italien und China ab, wo sogenannte Greifer- und Luftwebmaschinen produziert werden.

Man bewege sich aber in einem tendenziell rückläufigen Markt und entsprechend hart sei der globale Konkurrenzkampf, erklärt Kurmann. Deshalb setze Itema an zwei Schrauben an. Erstens bei der Produkte-Innovation. Die Projektil-Webmaschinen seien immer effizienter, der Kunde könne diese problemlos im Schichtbetrieb ohne Unterbruch über das ganze Jahr laufen lassen. «Die Verfügbarkeit liegt bei 98 Prozent.» Gleichzeitig könne der Energieverbrauch deutlich gesenkt werden.

Die zweite Schraube wird in den Produktionsabläufen angezogen. Es gelte, den Automatisierungsgrad zu erhöhen und damit die Produktionskosten zu senken. «Wir wollen noch effizienter werden.» Dazu brauche es eine motivierte Belegschaft und genügend Fachkräfte. Personalleiter Siegrist verweist auf die in der Itema hochgehaltene Berufsbildung. «Wir bilden 19 Lernende aus und bemühen uns, den beruflichen Nachwuchs selbst auszubilden.»

Punkto Investitionen ist in Zuchwil einiges gegangen. «Itema hat seit 2015 über 13 Millionen Franken in das Werk investiert, sowohl in die Anschaffung modernster Werkzeugmaschinen und Automatisierungssysteme in der Logistik wie auch baulich», betont Siegrist. Und auch im laufenden Jahr werden 1,6 Millionen Franken in moderne Produktionsanlagen investiert. Es handle sich dabei um nachhaltige Investitionen. Zudem habe man kürzlich den Mietvertrag für die Werkshallen mit der Areal-Besitzerin, Swiss Prime Anlagestiftung, bis 2027 – mit Option auf Verlängerung – abgeschlossen. «Dahinter steckt ein klares Bekenntnis der Itema zum Standort Zuchwil. Eine Verlagerung ist überhaupt kein Thema», versichert Siegrist.

Nebst der Montage der Projektil-Webmaschinen betreibt die Itema in Zuchwil auch eine eigene Fertigung von Teilen und Komponenten. Sie kommen für die Maschinen im Bau aber auch als Ersatzteile für die bei den Webereien im Einsatz stehenden Anlagen in den Einsatz. Insgesamt sind es rund 3500 verschiedene Teile. Die Fertigungstiefe sei hoch, erläutert Werkleiter Kurmann. Auf das Ersatzteilgeschäft entfallen rund zwei Drittel des Umsatzes. Dieser liegt bei rund 77 Millionen Franken. Angesichts der seit den 50er Jahren rund 160 000 gebauten und installierten Projektil-Webmaschinen sei der Bereich bedeutend. «Wir sind in der Lage, Ersatzteile auch für 40-jährige Maschinen zu liefern», sagt er nicht ohne Stolz über diese Dienstleistung.