Miele-Chef im Interview: "Der Thermomix ist ein tolles Produkt." | STERN.de

2022-09-23 18:44:53 By : Mr. Miss Rita

Hinweis: Dieser Text war einer der meistgelesenen Artikel auf stern.de im Jahr 2017 - zum Jahresrückblick spielen wir die besten Artikel in loser Reihenfolge bis zum Ende des Jahres.

Ein tolles Produkt. Schade, dass es nicht von Miele ist. Ich wurde auch schon mit ihm bekocht. Chapeau an die Kollegen, die ihn so entwickelt haben. Aber hier jetzt hinterherzulaufen, um was Ähnliches  zu machen, käme für uns nicht in Frage.

Ein klares Nein zum Me-too-Produkt.

Ein Nein zum Me-too. Wobei man natürlich sagen muss, letztlich sind ja alle elektrischen Geräte vom Kühlschrank bis zum Backofen immer ein Me-too - alleine vom Rastermaß. Da stellt sich uns dann eben die Frage: Was können wir an Mehrwert bieten?

Hoffen Sie beim auf der IFA Dialoggarer (hier finden Sie mehr dazu) auf eine ähnliche Bedeutung wie beim Thermomix?

Mit dem Dialoggarer stellt Miele zunächst einmal seine Innovationskraft unter Beweis. Aber aufgrund des Preises von fast 8000 Euro ist die Marktbedeutung natürlich erst einmal begrenzt. Wir sind aber fest davon überzeugt, dass sich die Technik des Dialoggarers langfristig durchsetzen wird. Bei der Spülmaschine und dem Einbaudampfgarer, die Miele ja auch beide erfunden hat, dauerte es auch Jahre und Jahrzehnte bis sie sich durchgesetzt haben. Das ist der Vorteil als Familienunternehmen. Wir können uns die Zeit nehmen.

Der fehlende Aktionärsdruck macht da viel aus.

Absolut. Wir haben keinen Druck, wir sind voll innenfinanziert. Dadurch haben wir die Ruhe, auch langfristig zu denken und in einer so langen Firmengeschichte auch mal einen Flop zu verkraften. Deshalb ist für uns in einem ersten Schritt auch nicht entscheidend, dass wir hohe Stückzahlen erreichen. Viel wichtiger ist, als innovative Marke wahrgenommen zu werden.

Jeder in Deutschland kennt Miele, jeder verbindet etwas damit.

Eine große Marke bringt immer Verantwortung mit sich, ein großer Name ebenfalls. Und wenn beides zusammenkommt, gilt das erst recht. Man muss eine alte Marke aber auch immer wieder neu aufladen und - falls erforderlich - eventuell sogar Produktbereiche aufgeben, um sich zu fokussieren. Groß geworden sind wir mit den Themen Wäsche- und Bodenpflege, heute spielen aber auch Lifestyle und Genuss eine immer größere Rolle. Wichtig ist, beides zu pflegen und auszubauen. 

Der 1959 geborene Urenkel von Mieles Mitbegründer Reinhard Zinkann ist Geschäftsführender Gesellschafter des Familienunternehmens. Nach der Promotion arbeitete er zunächst für BMW, erst 1992 stieg er bei Miele ein. Seine Familie hält 48,9 Prozent der Firmenanteile, die Familie Miele 51,1 Prozent. Zinkann ist außerdem Verwaltungsratspräsident der Hipp-Holding.

Die Küche wird immer mehr zum Statussymbol. 

Böse Zungen sagten früher, Vati kriegt den schicken Wagen, Mutti die schöne Küche. Heute steht der Mann genauso in der Küche. Oft ist es so, dass die Frauen mit dem Innenarchitekten die Planung mit Farben und Materialien machen, beim letzten Schritt bei den Geräten aber der Mann mitkommt - und häufig noch mal upgradet auf ein höherwertiges Gerät. Ob das dann aber eine Status-, eine Leistungs- oder eine Convenience-Frage ist, kann ich nicht beurteilen.

Die Ansprüche, und damit Nachfrage nach Wertigkeit in der Küche, sind auf jeden Fall gestiegen. Auch die Anzahl der Geräte in der Küche steigt weiter. So sind Dampfgarer, Kaffee-Vollautomaten und einige Kombigeräte ja vergleichsweise neue Entwicklungen. 

Kaufen viele Kunden Miele aus Prestige-Gründen? BMW, Apple, Miele, sozusagen.

In den USA und Asien werden wir oft als Marke mit sehr hohem Prestigefaktor gehandelt. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass wir ein traditionsreiches Familienunternehmen sind. Gerade in China spielen Statussymbole eine wichtige Rolle. Deshalb sind dort auch Luxusuhren, der Mont-Blanc-Füller oder die entsprechenden Modelabels sehr beliebt. Oder eben eine High-End-Küche.

In Europa sind wir seit jeher eine Premium-Marke, in Asien und Amerika geht unser Image schon eher in den Luxus-Bereich. In den USA beispielsweise sind wir - gemessen an der Größe des Marktes - nach über 30 Jahren immer noch vergleichsweise klein. Wir könnten dort viel schneller wachsen, wenn wir einfach nur überall verkaufen würden. Der Bedarf ist da. Wir vermarkten aber nur dort, wo wir auch den flächendeckenden Service auf Premium-Niveau gewährleisten können.

Technologie-Konzerne wie Samsung bauen alles, vom Smartphone über Küchengeräte. Denken Sie, dort geht man das Trend-Thema vernetzte Küchengeräte anders an?

Das müssen Sie dort fragen. Die Mitbewerber aus der Elektronikbranche haben vor allem eine hohe elektronische Kompetenz, während wir von der Produktseite kommen, in der Elektronikentwicklung und -Fertigung aber ebenfalls gut gerüstet sind. Wir waren die ersten überhaupt, die sich intensiv und nachhaltig mit dem Thema vernetzte Hausgeräte befasst haben. Wir haben auch als Erste in Europa Mikroprozessoren in Wäschetrocknern verwendet, wir haben schon vor über 15 Jahren Geräte mit einem kleinen Handempfänger vernetzt. Dieser Pager meldete, ob die Waschmaschine fertig ist. Damals fragte die Konkurrenz noch, was das soll - und wie man damit Geld verdient.

Jetzt bieten alle solche Geräte an.

Heute sind mit dem Internet of Things und dem Smartphone für solche Anwendungen ganz andere Voraussetzungen gegeben. Es ist allerdings nicht unser Ansatz, mit Apple oder Google in Konkurrenz zu treten. Vielmehr geht es darum, deren Produkte in unsere Betrachtungen einzubeziehen, dies aber mit dem Fokus auf die Frage: Was nutzt es unseren Kunden?

…damit man mit aus eigener Kraft wachsen kann.

Genau. Wenn Sie etwa unsere M-Touch-Technologie betrachten. Unsere Geräte bedient man wie ein Smartphone, man kann wischen und scrollen. Wir haben uns das iPhone angesehen und gesagt: Das ist genial einfach.

Ist das nicht etwas, wo Samsung einen Vorteil hat? Weil sie sich viel besser mit Touch-Interfaces auskennen?

Jedenfalls waren wir in dem Fall schneller damit auf dem Markt.

Apple ist berüchtigt dafür, alte Zöpfe abzuschneiden, strich letztes Jahr etwa den Klinkenanschluss. Hätten Sie das getan, wenn das iPhone ein Miele-Produkt wäre?

Ich finde es unheimlich wichtig, dass Innovation nie auf Kosten der Qualität gehen darf. Man muss sich aber manchmal von Liebgewonnenem verabschieden. Ja, wir würden es im Zweifel tun. Aber wir würden vorher sehr genau abwägen. Außerdem könnte man etwa ein Gerät anbieten, das den alten Standard weiter unterstützt.

Der Dialoggarer galt vielen als IFA-Highlight. Macht Sie das stolz?

Die Reaktion hat unsere Erwartungen übertroffen. Und sie zeigt, wie wichtig es ist, dass wir als Marke nicht nur bei der Qualität ganz vorne mitspielen, sondern auch bei Innovation und Technologie. Daran arbeiten wir beständig. Aber immer Premium, immer auf unsere Weise. Und deswegen kann ich auch gute Lösungen anderer Unternehmen neidlos anerkennen. Wie eben den Thermomix.

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