FIFA 17 im Test: Wir sind zu EA Sports nach Vancouver geflogen, haben zwei Tage mit FIFA 17 verbracht und The Journey durchgespielt. Eine erstaunlich gute, weil unaufgeregte Kampagne. Wo amerikanische Hollywood-Sportlerdramen nach großem Pathos und dramatischer Bildregie verlangen, erzählt EA Sports die gut geschriebene Geschichte von Alex Hunter, die Ihnen ganz nebenbei alle wichtigen Finessen von FIFA 17 beibringt und einen kleinen, motivierenden Rollenspielpart eingebaut hat.
Es gibt viele große Sportfilme. Leinwand-Dramen wie Rocky, An jedem verdammten Sonntag, Invictus, Moneyball oder Million Dollar Baby. Einige haben Oscars gewonnen, manche sind gut, einige weniger. Hollywood neigt sehr dazu, die Dramatik zu suchen und selbst harmlose Shots in der Post-Production in tiefe Dunkelheit zu tauchen, um einem Film über Sport einen cineastischen Touch zu verpassen.
EA Sports macht das in seiner Story-Kampagne The Journey zu FIFA 17 nicht. Die Kanadier haben es geschafft, mithilfe von Beratern wie Marco Reus und bekannten Szene-Journalisten ein Sportlerdrama zu kreieren, das sich authentisch und rund anfühlt. Wo Hollywood mit aufschwellender Musik gerne nochmal einen drauf setzt, will The Journey in erster Linie die interessante Geschichte von Alex Hunter erzählen. Einem Jungen mit interessantem Hintergrund: Sein Vater war Fußballprofi, brach sich jedoch das Bein, musste seine Karriere aufgeben und die Familie landete in der Unterschicht. Die Story beginnt, als Alex noch ein Kind ist, sein Vater ihn dazu zwingt, härter zu trainieren als alle anderen und unentwegt beim Match anbrüllt. Hunter weint, seine Mutter geht dazwischen, es gibt Ehekrach und die Scheidung folgt. Ja, The Journey fährt einige Klischees auf, verpackt sie aber in hochwertig geschauspielerte Szenen. FIFA 17 ist natürlich kein Uncharted 4, aber... Nun ist FIFA 17 natürlich kein Uncharted 4, insbesondere an der Animation der Augen bei einigen Dritt-Darstellern muss EA Sports noch schrauben, aber die Dialoge sind gut geschrieben - insbesondere der Opa macht Spaß. Ein kerniger Typ der Marke "Wir haben damals noch Fußball gespielt, weil wir den Sport liebten. Heute geht's ja nur noch ums Geld." Zudem ist die Kampagne exzellent für Einsteiger, aber durchaus auch für erfahrene FIFA-Spieler geeignet, um all die Finessen zu lernen, die für FIFA 17 wichtig sind. Wie Sie den Ball mit Effet beim Freistoß an der Mauer vorbei zirkeln oder das neuartige Eckensystem zu Ihrem Vorteil nutzen können. Das ist deutlich komplizierter und anspruchsvoller als früher, belohnt aber mit mehr Planbarkeit und taktischer Tiefe. Sie können deutlich gezielter den kurzen oder langen Pfosten anvisieren und den Ball via Effet stärker drehen - ein dritter Spieler schießt dann aus dem 16er zum Flugkopfball heran. Diese vielen feinen spielerischen Details werden in mitunter durchaus fordernden Trainingseinheiten vermittelt. Für die gibt es Punkte, wer nur zwei von fünf Fallrückziehern aus einer Flanke heraus reinmacht, der sinkt im Ansehen seines Trainers und wird möglicherweise nicht in der Startelf aufgestellt. Der Schwierigkeitsgrad richtet sich dabei übrigens danach, für welche Mannschaft Sie sich zu Beginn entscheiden: Bei Aston Villa geht es sehr viel entspannter zu als bei den großen Clubs, und Sie treffen auch völlig unterschiedliche Persönlichkeiten, was ungemein witzig und spannend inszeniert ist.
"Passione, ich wille mehr Passione sehen. Ah Bambini, wozu hatte du eine Kopf, wenn du damit keine Tor schießt. Eh?" fragt Agostino im eher väterlichen Ton, als wir nach einer Saison beim FC Liverpool ausgeliehen werden und gerade unsere ersten Flugkopfballtore in neuer Umgebung trainieren. In Birmingham weht ein ganz anderer Ton als bei den Großen, wo jede Trainingseinheit und jedes Spiel knallhart bewertet werden. Wer sich direkt zu Beginn für Manchester United, Liverpool oder Arsenal entscheidet, der muss mit harten Bandagen kämpfen und trifft auf Manager, denen es nur um Marktwerte geht und dem der Mensch hinter dem Fußballer weitestgehend egal ist. "Interessante Betrachtung", meint Creative Director Matt Prior, als wir ihn im luxuriösen Hauptquartier von EA Sports in Vancouver treffen und darauf ansprechen.
Während einige Entwicklerstudios bis zu 300 Mann auf einem Flur parken, sind die 1.000 Mann von EA Sports in einer Hotel-ähnlichen Anlage untergebracht, die neben einer langen Bar auch einen eigenen Fußballplatz, ein Bachvolleyball-Areal und eine Basketballhalle bietet. "Das war nicht zwingend unsere Absicht, dennoch ist das für mich sehr spannend zu hören. Wir haben zwar nicht einzelne Spielerkarrieren 1:1 umgesetzt, aber Marco Reus und andere haben uns sehr viel darüber erzählt, wie hart es ist, sich in einem Team zu etablieren. Und genau das möchten wir abbilden: Wir lassen euch bewusst entscheiden, welche Position ihr spielen wollt. Viele entscheiden sich für den Sturm, dort wird aber traditionell jedes Jahr Verstärkung eingekauft, wodurch der Konkurrenzkampf am stärksten ist." In die Kampagne wird ein sehr leichtes, aber merkliches Rollenspielsystem integriert. So bauen Sie die Reiter Physis, Verteidigen, In der Kampagne ist ein sehr leichtes, aber merkliches Rollenspielsystem.Dribbeln, Schießen und Geschwindigkeit auf, was Unterschiede ausmacht. Hunter ist zu Beginn nicht gerade ein Messi, Sie müssen schon viel mit Finten und Überrollern arbeiten, um den Gegner aussteigen zu lassen. Leveln Sie jedoch Geschwindigkeit, wird er nicht nur schneller, sondern aktiviert gegen Ende des Spiels das Perk "Second Wind", wodurch er noch mal richtig Gas gibt. Generell lässt sich jeder "Talentbaum" in drei Stufen ausbauen. Das macht FIFA 17 jetzt nicht sofort zum Sportrollenspiel, ist aber eine schöne Zugabe zur ohnehin gelungenen Kampagne, die Sie um die ganze Welt führt und sich letztlich sehr motivierend spielt. Schließlich wollen Sie Alex Hunter aus seinem Studentenzimmer rauskriegen und ihm endlich die schicke Penthouse-Suite gegenüber vom Stadion kaufen und alle Werte auf 90 steigern...
Hinweis: Alle technischen Details und Performance-Messungen zu FIFA 17 können Sie in einem separaten Artikel nachlesen.
Für ein Fußballspiel ist es traditionell schwierig, seine grafischen Stärken herauszuarbeiten, schließlich sehen und spielen Sie in der Regel in einer Kameraeinstellung, die maximale Übersicht bietet und nur wenige Feinheiten eines Spielers zeigt. Wer sich jedoch die Wiederholung zu Gemüte führt, der sieht im Zoom schon einige schöne Neuerungen. Beispielsweise knittern Trikots sehr echt, etwa wenn ein Spieler den Arm nach oben reißt, und es ist jede einzelne Gewebefaser sichtbar. Schlittert er durch das nasse Gras, bilden sich auch gerne mal grüne Streifen, die sich von der Hose zum Trikot ziehen. Ansonsten ist FIFA 17 aber nach wie vor eine sehr cleane FIFA ist eben kein Battlefield 1.Angelegenheit, warum eigentlich? "Die Frostbite-Engine würde uns dazu ermächtigen, das Spiel deutlich schmutziger zu machen, aber das würde nicht zum modernen Fußball passen", erklärt Aaron McHardy, der sehr eng mit DICE zusammengearbeitet hat. "Die Experten der Frostbite-Engine haben uns ja besucht und unseren Software-Ingenieuren gezeigt, welche Möglichkeiten Wetterumschwünge oder auch Nebel in Kombination mit Licht ermöglichen, aber FIFA ist eben kein Battlefield 1" - er lacht. "Heutige Fußballplätze arbeiten mit Hightech-Rasen, sodass die Akteure selbst bei Starkregen lediglich Grashalme an den Armen und am Trikot kleben haben, aber nicht aussehen, als hätten sie sich im Schlamm gesuhlt. Diese Zeiten sind seit gut 40 Jahren vorbei, damals wurde ja auf sehr ungepflegten Plätzen gespielt."
Unschön und unnötig ist allerdings der 30-Fps-Lock bei Kamerafahrten, dadurch leiten die Zwischensequenzen mitunter etwas wenig harmonisch ins eigentliche Gameplay über. Spielerisch geht es vor allem darum, Ihnen mehr Freiheiten zu geben: Sie wählen jetzt, von wo aus Sie beim Freistoß anlaufen. Je mehr Anlauf, desto mehr Kraft im Schuss. Wer von hart rechts oder links je nach Position des Leders anläuft, kann zudem deutlich mehr Effet geben. Beim Einwurf können Sie jetzt mit Finten arbeiten, die genau so funktionieren wie beim Elfmeter: Leiten Sie den Wurf oder Schuss ein und drücken die Taste direkt nochmal, stoppt der Spieler ab. Beim Elfmeter können Sie jetzt lupfen, weil der Torwart bereits in eine Ecke fliegt und beim Einwurf die Richtung ändern, was taktisch interessant ist. Zudem denkt die K.I. (abgesehen von einigen Hirn-Aussetzern, die es leider immer noch gibt) gefühlt deutlich besser mit, sucht viel stärker den Zug in den freien Raum, lässt sich aber auch bei Gefahr zurückfallen. Natürlich abhängig davon, mit welcher Strategie Sie spielen.
Wer mehr in die Tiefe bei FIFA 17 einsteigen will, dem sei unsere Analyse von Defensive, Mittelfeld, Offensive und der neuen Schussmechanik empfohlen.
Ohne Frage ist The Journey das Kronjuwel im FIFA-17-Portfolio dieses Jahr. Der Modus gibt den Partien eine schöne Emotionalität und erklärt vor allem die Feinheiten des Fußballs auf eine smarte Art. Es ist auch ziemlich fordernd, schließlich ist es plötzlich nicht mehr egal, wer vorne die Dinger rein macht, sondern Alex Hunter muss auf der Torschuss-Liste stehen. Das zwingt Sie sanft, Flanken zu üben, die übrigens dieses Jahr deutlich weniger effizient sind als noch in FIFA 16 und von der Defensive häufiger geblockt werden. Die gesteigerte kreative Freiheit beim Einwurf und Standards macht Laune, wer mag, macht einen auf Isländer und täuscht einen Luschenball an, um dann mit einem extrem weiten Einwurf das Mittelfeld in Szene zu setzen. Lizenztechnisch ist übrigens so ziemlich jedes Team dabei, das Sie kennen. Nur die Isländer nicht, die wollten anscheinend zu viel Asche.
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